Montag, 29. April 2013

23.7.10
Es hat sich festgeregnet und der Himmel ist grau, grau wie die Karstadtfassade am Hermannplatz. Der Platz verbreitet eine ungute Atmosphäre und das liegt nicht an den vielen zwielichtigen Gestalten, sondern an den titanenhaften, unrenovierten Fassaden – als hätten hier mal Riesen gewohnt, die jetzt ausgestorben sind.
Ich gehe hinein in den Karstadtklotz, um einige Besorgungen zu machen. Am Telekomstand steht einer, der mir irgendwie bekannt vorkommt. „Komisch“, denke ich, „der Verkäufer hat die selben Kotteletten wie Cem Özdemir“. Ich schaue ein zweites Mal hin: Es ist Cem Özdemir. Ich erkenne ihn schließlich an seiner langgestreckten Nase. Er schaut ernst und beiläufig, so als ginge ihn das alles um ihn herum nichts an, aber gleichzeitig mit der Gewissheit, bereits erkannt worden zu sein. Als ich von den Besorgungen zurückkomme steht Özdemir noch immer da. Entweder braucht er eine sehr aufwendige Beratung oder er möchte seinen Wählern nahe sein.
Volkspark Hasenheide – keine gute Idee hier durchzugehen, wie ich bald merke. Überall in den Büschen lauern Dealer und Heroinabhängige, Cracktypen und Schwerstalkoholiker. „He Alter, brauchst was?“ wird schon bald zu meiner täglichen Begleitmusik. Ich schaue auf den Boden und orientiere mich auf die breiten, geteerten Wege. In manchen Hecken stehen Sofas – Dealerbüro. Ein paar Meter weiter eine Kita mit großem Spielplatz und Liegewiesen. Muttis schauen ihren Kindern beim Schaukeln zu. Eine kuriose Koexistenz.
Die geteerte Querstraße in der Mitte des Parks ist die magische Grenze, dahinter ist der Spuk vorbei. Zwei studentische Bartträger spielen Federball auf der Wiese, eine Joggerin in roter Hose müht sich einen Kiesweg entlang.
Nachmittags bin ich in einem sehr schlechten Asia-Imbiss, der zu allem Überfluss auch noch teuer ist. Während ich braune Bratnudeln mit Hähnchenfleisch in mich reinschiebe, lese ich die BZ und spekuliere eigentlich auf ein Paar Bilder mit Titten, aber Fehlanzeige. Überhaupt bin ich in den letzten Tagen das Vorbild für schlechte Ernährung: nur auswärts gegessen, immer schön billig, teilweise gut, teilweise mies und kein Obst, dafür leckere türkische Pfannkuchen mit Spinat. Die Verkäuferin in der Bäckerei hat ein schönes und offenes Gesicht, sie lächelt, sobald man ihr in die Augen sieht, sie sagt "Mehraba" oder „Hallo", je nachdem, wer gerade reinkommt. Zum Abschied sagt sie "Tschüsi", das scheinen hier alle Verkäuferinnen zu sagen.
Berlin ist Utopia und Apokalypse zugleich, das merke ich an einem Tag wie heute, der wie ein Septembertag ist. Wenn die Sonne scheint, dann ist es das Paradies und die Leute vergessen ihre Sorgen, Frauen zeigen ihre schönen Schultern und Beine – und es gibt viele schöne Schultern und Beine in Berlin. Wenn es aber wie heute regnet und kühl ist, hängen die Köpfe und die Regencapes sind Schutzanzüge gegen die enttäuschte Hoffnung.
Ich fühle mich wie in einer surrealen Umgebung, in einer Zwischenwelt. Ich weiß nicht, ob ich wirklich hier wohne, ob es diesen Ort wirklich gibt. Vielleicht ist Berlin nur eine Erfindung, ein Phantasiereich, das nur die sehen, die es sich ausdenken.

Montag, 22. April 2013

22.4.13
Nach fünf Jahren verlasse ich Facebook. Was das mit Berlin zu tun hat? Weiß ich noch nicht. Aber wir werden sehen...