19.11.11
Konzert mit zeitgenössischer Musik in
einer Galerie für zeitgenössische Kunst in der Potsdamer Straße.
Vor Beginn des Konzerts kann man die ausgestellten Objekte begutachten:
Kabel, Drähte Kopfhörer, Glasscheiben, Lampen. Mit Anfassen.
Interaktive Kunst.
Die Musiker spielen in kleiner
Besetzung, etwa 30 Zuhörer lauschen aufmerksam. Anschließend unterhalte ich mich mit dem koreanischen
Geiger, er erzählt mir von seinen Plänen und Projekten, schlägt
schließlich vor, mit den anderen Musikern doch noch was trinken zu
gehen. Ich komme gerne mit. Nach einigen Bieren und Falafel an einem
Kreuzberger Szeneeck landen wir schließlich in einem Club ohne Namen
in Neukölln. Draußen ist es kalt, drinnen ist es voll,
Kondenswasser an den Scheiben. Aus den Boxen hämmert Minimaltechno
unterlegt mit Tiergeräuschen, einige Mützenträger wippen mit
Bierflaschen in der Hand vor dem DJ-Pult. Der Rest der Leute versucht
sich schreiend zu unterhalten.
Plötzlich sehe ich ein Gesicht in der
Menge, das mir bekannt vorkommt. Tatsächlich. Eine alte
Schulkameradin, die ich seit wahrscheinlich 15 Jahren nicht gesehen
habe. Sie hat sich eigentlich nicht sehr verändert. Erstaunlich, wen
man in Berlin alles wiedertrifft. Ich dränge mich zu ihr durch und
klopfe ihr auf die Schulter. Überrascht dreht sie sich zu mir,
erkennt mich erst nicht, doch dann hellt sich ihr Gesicht auf und sie
umarmt mich unerwartet, wobei ich einen leichten Schweißgeruch an
ihr feststelle.
Sie wirkt ziemlich aufgedreht.
Schreiend erklärt sie mir, dass sie jetzt ganz groß rauskommen will
und dafür schon eine tolle Idee hat: ihre Autobiographie mit dem
Titel „Willi Schneemann“. Der Witz dabei: sie schreibt sie im
Voraus, mit Ereignissen und Erfolgen, die es noch garnicht gibt, die
sie aber sukzessive, gewissermaßen rückwärts, nachliefert. Sie
grinst. „Leider muss ich jetzt gehen“, brüllt sie mir ins linke
Ohr, „aber ich adde dich bei Facebook.“ Sie umarmt mich nochmal
kurz, aber fest und schlängelt sich durch die Menge zum Ausgang.