Sonntag, 27. April 2014


23.4.14
Ich steige aus der U-Bahn. Endstation. Einige Meter vor mir geht ein Rothaariger, er taumelt hin und her. Vielleicht betrunken? Doch als ich näherkomme, sehe ich den wahren Grund seines Schwankens: Er sucht mit einem langen metallenen Stock den Weg nach draußen. Er ist blind.
Die Kugel am Ende seines Stocks rauscht über den Boden, stößt gegen eine der blaugekachelten Säulen, rauscht wieder zurück, stößt gegen eine zweite Säule. Der Blinde bleibt stehen, er ist verwirrt, desorientiert, er trägt keine dunkle Brille und ich kann seine Augen sehen: sie sind weit aufgerissen und gehen von links nach rechts. Ich beschleunige meinen Schritt, um ihn zu ereichen.
Ein türkischer Mann mit Schnurrbart und kurzen, graumelierten Haaren kommt mir zuvor. “Kann ich ihnen helfen?”, fragt er höflich und bietet dem Blinden seinen rechten Ellenbogen an, den dieser dankend annimmt. “Vorsicht, jetzt kommt eine Treppe”, sagt der Türke mit rollendem R.
Vor mir geht das seltsame Paar die Stufen hoch. “Schaffen Sie den Rest alleine?” fragt der Türke. “Ja”, sagt der Blinde. Doch es stimmt nicht. Draußen an der Ampel geht er beinahe bei Rot über die Straße, einige Passanten rufen ihm zu. Wieder komme ich zu spät: eine kleine Frau mit dunklen Haaren fragt den Blinden, wo er hinmöchte. “Zum Bus.” “Da muss ich auch hin.” Sie führt ihn über die Straße zur Bushaltestelle. Ich schaue ihnen hinterher und biege um die Ecke, da überholt mich ein mittelgroßer Mann mit seinem Skateboard. Er ist etwa fünfzig und hat schon graue Haare, dazu trägt er einen Stoppelbart und schlabbrigen Pullover.
Der älteste Skater, der mir je begegnet ist.