Samstag, 25. Januar 2014


21.12.13 (3)

Mir ist nicht nach Bier, also lehne ich ab. Er lässt nicht locker: „Komm, das ist ein besonderer Anlass, wer weiß, ob wir uns nochmal wiedertreffen.“ Es fällt mir schwer, seine Einladung abzuweisen, trotzdem verneine ich. „Ok, ok, also ich respektier das. Klar. Aber du bist so ein kontrollierter Typ, vielleicht musst du dich mal lockerer machen.“ Ich muss wieder grinsen. Die Kellnerin bringt mir eine Apfelschorle.
Er nimmt den letzten Schluck aus seinem Glas und wird plötzlich ernst. Seine Stirnfalte tritt jetzt noch deutlicher hervor. „Ich hab ne kleine Tochter, weißt Du, gerade zur Welt gekommen und mir jetzt n kleines Haus in Berlin gekauft. Hätte ich nicht gedacht, dass ich das meinen Kindern und meiner Frau mal bieten kann.“ Er blickt melancholisch zu Boden, mit den Fingern trommelt er auf dem leere Glas. Dann klingelt sein Telefon. „Ja, hallo? Ach Du bists... Nee Mutti, bin gerade im Zug... ja.. zum Dreh... ja... nee, is schlecht jetzt...“ Er legt auf, streckt mir wieder das gesprungene Display entgegen. „Das hier ist meine Tochter. Und das ist mein Haus.“ Ein ziemlich normales Reihenhaus mit rotem Ziegeldach. Der melancholische Ausdruck weicht nicht von seinem Gesicht.
Ich spüre, wie der Zug sich verlangsamt. Der Schaffner macht seine Durchsage. „Musst Du hier auch raus?“ „Ja.“ „Dann steigen wir hier zusammen aus.“ Er packt das Drehbuch in die Reisetasche, bezahlt die Rechnung bei der Kellnerin. „Hast Du noch Münzen für Trinkgeld? Ich hab nur noch n Fuffi.“ Ich lache kurz auf und lege zwei Münzen auf die weiße Tischdecke.
Der Zug hält an, die Türen öffnen sich, wir steigen aus. Er klopft mir zum Abschied auf die Schulter. „Pass gut auf Dich auf, wa?“ Ich muss ein letztes Mal grinsen. Dann verschwindet er in der Menschenmenge.

Mittwoch, 15. Januar 2014


21.12.13 (2)

Vor ihm steht ein halbleeres Bierglas, nicht sein erstes heute, sein Atem riecht stark nach Alkohol. Neben dem Bier auf der weißen Tischdecke liegt ein Drehbuch, darauf der Name eines bekannten deutschen Regisseurs. „Hier schau mal!“ er zieht sein Handy raus und zeigt mir Fotos von Vietnam. „Wie Apokalypse Now, wa?“ lacht er. Hinter dem zersprungenen Display sehe ich braunes Wasser und grünen Urwald, dazwischen einen ausgelatschten Holzsteg. „Das war am Mekong. Ich sag dir, Vietnam is echt krass!“ Er zeigt mir noch weitere Bilder: Gesichter, schwimmenden Plastikmüll, Aufnahmen vom Straßenverkehr in Ha Noi.
„Du bist Schauspieler, oder? Ich kenne Dein Gesicht.“ „ Ja, bin ich. Fahr grad zu Dreharbeiten. Das hier ist mein nächster Film“, er hält mir das Drehbuch entgegen. „Der Regisseur ist geisteskrank, ein Geisteskranker, ständig zugekokst und redet nur Müll. Ich frage ihn: wie soll ich die Rolle anlegen? Und er: jajajajaja. ja. Was soll ich damit anfagen? Mann, Alter, echt!“ er nimmt einen weiteren Schluck aus seinem Glas. „Komm, trink einen mit mir. Ich lad dich ein!“

Freitag, 10. Januar 2014


21.12.13

Im Zugrestaurant.
Ich sitze in den typischen roten Sesseln vor einem Kaffee und einem Stück Kuchen. Keiner unterwegs, nur die Kellnerin huscht ab und zu vorbei. Als ich die letzten Krümel in mich reinschiebe und an meinem Kaffee schlürfe fühle ich plötzlich eine Hand auf meiner Schulter. „Du sitzt hier so alleine, setz dich doch zu mir rüber an den Tisch.“ Überrascht drehe ich mich um. Hinter mir steht ein Typ, um die 30. Ich kenne sein Gesicht, aus dem Fernsehen. Er muss Schauspieler sein.
Schon vorhin fiel er mir auf, weil er in den kurzen Haltepausen des Zuges ständig zum Rauchen rausrannte. Jetzt steht er neben mir und zieht eine tiefe Stirnfalte, die charakteristisch, beinahe unverwechselbar auf seiner Stirn steht. Noch ehe ich etwas erwidern kann fährt er fort: „Ich komme gerade aus Vietnam und in Vietnam redet man miteinander. Ich habe mir vorgenommen, das jetzt nach Deutschland zu importieren.“ Ich muss grinsen. „Ein guter Vorsatz“, sage ich und folge ihm an seinen Tisch.