11.12.11
Ich bin zu einer
Adventsfeier eingeladen, in einer Kreuzköllner WG, mit
selbstgemachtem Punsch und Keksen. Gastgeber ist ein Künstler, den
ich noch vom Studium her kenne, ein sehr sensibler und begabter
Mensch. Eigentlich hat er mit Malerei und Installationen begonnen,
jetzt ist er ein Performer, trägt üppigen Vollbart und seit kurzem
einen englischen Künstlernamen. Der Punsch ist gut und vernebelt mir
angenehm das Hirn. Nachdem dieser, Kekse und Gesprächsthemen sich
langsam dem Ende neigen und der Abend schon weit fortgeschritten ist,
schlägt der Gastgeber vor, in eine Bar unweit von hier
weiterzuziehen. Ich bin dabei, und noch einige andere. Nach kurzem
Fußweg durch die Berliner Kälte drängeln wir uns in ein schmales,
schlecht beleuchtetes, schlauchförmiges Kneipchen, drinnen geht es
lustig zu: laute Musik, lautes Gelächter, Midlifers, die ausgelassen
sind. In den Trubel hinein sagt der Künstler einen schönen Satz:
„Ich möchte mich nicht mehr von meiner Vergangenheit dominieren
lassen.“
Da ist es wieder:
Berlin, das Amerika von Deutschland und der Traum, seine
Vergangenheit hinter sich zu lassen und völlig neu zu beginnen. Doch
ich sehe auch, wie unmöglich es ist: all die Dreißig- und
Vierzigjährigen um mich rum, die Kreuzberg-Neukölln-Society, die
Künstler und Möchtegerns, wie sie in ihrer ewigen Zwanzigjährigkeit
verharren und sich hier verstecken, niemals heraustreten werden aus
dem Schatten ihrer Eckkneipenthresen und Biergläser. Ich bin ratlos
und etwas verwirrt, denn ich fürchte, dass mir das Selbe passieren
könnte. Ich verscheuche den Gedanken und haue mir noch einen Vodka
rein. Morgen ist ein neuer Tag. Ein neuer Tag in Berlin.