13.5.15
Am U-Bahnsteig
Boddinstraße begegnet mir der Dandy. Ich nenne ihn so, weil er
aussieht, wie aus einem der großformatigen Schwarzweißbilder
entsprungen, die seit Renovierung der Station vor einigen Monaten an
den Haltestellenwänden hängen und Neuköllner Straßenszenen der
20er und 30er Jahre zeigen. Er trägt weite
Hosen, beige, mit Buntfalte, Schiebermütze, hochgekrempeltes,
ockerfarbenes Hemd, Weste darüber, aber lose, nicht zugeknöpft. Im
Winter habe ich ihn auch schon manchmal gesehen, den Dandy, da trug
er Mantel und Hut, dazu immer korrekt gewichste und gebürstete
Schuhe, er kam in dieser Aufmachung unter meinem Fenster vorbei oder mir
auf der Straße entgegen.
Heute ist er mit
seiner Freundin unterwegs, hält eine Bierflasche in seiner rechten
Hand. Und er spricht deutsch, was mich überrascht, bisher hatte ich
ihn immer für einen Engländer gehalten. Seine Augen sind hellblau
und glasig, sein Gesichtsausdruck melancholisch bis traurig,
abwesend, er schaut sich um, als suche er etwas, vielleicht etwas,
das er vor langer Zeit verloren hat. Er steigt in die
Bahn, die eben eingefahren ist, seine Geliebte an der Hand.
Ich steige ebenfalls ein, fahre aber nur eine Station.
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