Freitag, 26. Juni 2015


13.5.15 (3)
Am Maybachufer. Ich gehe ein gutes Stück am Kanal entlang. Von der anderen Seite höre ich laute Stimmen, die auf sich aufmerksam machen wollen. Eigentlich ist es zu kalt für Feiern im Freien und jeden Moment könnte es regnen, denn der Wind ist frisch. Doch die nächtlichen Feierer machen Propaganda für sich selbst. Sie wollen allen beweisen, dass sie Spaß haben. Wer glaubt ihnen das?
Ich erreiche das Areal um die Weserstraße, bewege mich durch die Ströme der Vergnügungssüchtigen, die wie in einem Freizeitpark die Attraktionen suchen, oder sich rauchend in den Schaufenstern der namenlosen Szenecafés und -kneipen selbst ausstellen. Auf der rechten Straßenseite parkt ein Transporter mit einer Aufschrift, die vermutlich ein Werbeslogan oder vielleicht der Titel einer Fernsehserie ist und, wie mir scheint, die Frage des Abends aufwirft: “Könnt ihr entkommen?” Ich bin müde und werfe einen letzten Blick in das letzte Schaufenster der letzten Kneipe an der letzten Ecke und biege links ab. Ab nach Hause.
Kurz vor meiner Haustür begegnet mir der Dandy wieder, diesmal allein und ohne Bierflasche, er biegt um die Ecke und ich schaue ihm kurz nach, sehe, dass er im Haus nebenan wohnt. Wir sind also Nachbarn.

Mittwoch, 3. Juni 2015


13.5.15 (2)
Hermannplatz. Ich steige aus. Es ist erstaunlich zu sehen, wie er sich von einem Drogenplatz langsam zu einem Jugendtreffpunkt mausert. Oder sich einfach alles durchmischt. Vielleicht kann ich die Junkies nicht mehr von den Studenten unterscheiden. Den Dandy habe ich aus den Augen verloren. Ist er noch in der U-Bahn? Ich drehe mich kurz um die eigene Achse und gehe in Richtung Kottbusser Damm, viele Bierflaschen und Bärte kommen mir hier entgegen. Dazwischen immer wieder toupierte, blondierte Haare und schwarze, blickdickte Strumpfhosen, die in hellbraunen, dünnen Lederschuhen mit Reißverschluss stecken. Ein hektischer Mann ohne Jacke, in weinrotem Pullover und kariertem Hemdkragen geht aufgeregt die Straße auf und ab, überholt mich zweimal, bleibt stehen, raucht nervös den Zigarettenstummel, den er zwischen den Fingern hält und redet dabei mit sich selbst. “Man stelle sich das vor… Man stelle sich das vor...” sagt er immer wieder vor sich hin.