2.2.15
Am Gleisdreieck
Ich steige an meiner
Lieblingshaltestelle aus der U-Bahn: Gleisdreieck. Hier ist es immer
seltsam ruhig für Berliner Verhältnisse, vermutlich, weil hier
eigentich niemand wohnt, es ist ein reiner Umsteigebahnhof und
trotzdem ist er für mich der Inbegriff, gewissermaßen die Essenz
aller Berliner Stadtbahnhöfe.
Das Gleisdreieck ist
eigentlich garkein Dreieck, sondern ein Kreuz und die U-Bahn, ist
hier eigentlich garkeine U-Bahn, da sie hier oberirdisch fährt. Sie
rauscht über das einstige Niemandsland, in dem, trotz bemühter
Neubegrünung noch immer eine eigenartig unbelebte, abgeschiedene
Atmosphäre herrscht.
Auf der einen Seite
werden jetzt die alten Backsteinbögen, die in früheren Zeiten die
Gleiskörper trugen, abgerissen, eine Art Trümmerfeld, das noch
letzte Zeichen von Benutzung trägt: buntbemalte Türen, ein
gefliestes, auf einer Seite aufgerissenes Badezimmer, das
zerschlissene Schild einer verschwundenen Autowerkstatt, über einem
toten Eingang ein Kutschenrad, das nur noch aus Speichen besteht und
aussieht, wie ein verrosteter Stern.
Auf der anderen
Seite, erheben sich die Neubauten wie seelenlose Gesichter, einige
schon fertig, andere noch im Bau, der Wind trägt Maschinenlärm
herüber. Letzte Zeichen einer gespaltenen Stadt, das neue Berlin
breitet sich schon aus, das alte verschwindet langsam unter der
Baggerschaufel. Dazwischen einige Jogger und verlorene Radfahrer.
Eine Mutter mit Kinderwagen überholt mich und steuert auf den
Parkausgang zu, entlang der überdimensionalen Rosenblüten, die als
Statuen einen aufgeschütteten Wall säumen. Dahinter ein
orangefarbenes Gebäude: “Premium Parking” flattert dort als
Botschaft auf einem weißen Plakat.