Montag, 11. Januar 2016


2.12.15
Am Kottbusser Tor
Kurz vor zwölf nachts, an einem Mittwoch. Raus aus der U1, die ewig dreckige Rolltreppe runter zur U8. Leute hetzen, sind gehetzt oder genervt oder beides. Schnell noch die letzten U-Bahnen kriegen. Besoffene Hipster, verzweifeltes Partyvolk.
Plötzlich gibt es Musik. Sie schallt von unten die Rolltreppe rauf, kommt überraschend, direkt aus dem Innern der U-Bahnstation. Als ich unten im Zwischengeschoss angekommen bin, sehe ich einen dicken, kurzsichtigen Typen mit starker Brille und schwarzem T-Shirt und einen E-Bass-Spieler mit Bart, der einige Akkorde zupft. Der Dicke rappt: “Du bist nicht allein…. Hab keine Angst… Du bist das Wunder… Gott ist ein Teil von Dir...” Verblüfft bleibe ich stehen und sehe den beiden zu. Der seltsame Rapper sieht wie ein verträumter Virtuose aus, spaziert entrückt auf und ab, vollführt eine Art Tanz, mit den Augen nach oben gerichtet. Der E-Bass-Spieler hat seine Augen geschlossen und zupft. Einige andere Passanten bleiben ebenfalls stehen, hören zu. Kurzes Bass-Solo. Ein Typ geht auf den Dicken zu und reicht ihm eine Zigarette, die dieser zunächst ablehnt, dann nimmt er doch einen Zug. Ein Liebespaar bleibt stehen und beginnt zu knutschen. Ich gehe weiter, höre wieder die Stimme des Dicken, jetzt nur noch undeutlich bis zum Bahnsteig. Plötzlich breitet sich eine eigenartige Ruhe aus. Berlin-Moment.